Tender I Obst
Nigel Slater
Vom Apfel bis zur Weintraube
620 Seiten
Tarte
mit Frischkäsekissen
und schwarzen Johannisperlen
Herzklopfen. Das ist mir in letzter Zeit selten passiert - bei Büchern. In diesem Fall war das erste Blättern im Gleichtakt mit dem Herzen. Und ich rede hier wirklich nur vom ersten Blick. Gibt's ja. Ich war ehrlich nervös, als ich es aus dem Umschlag holte. Die Bilder haben mich berührt. Sehr schlicht, sehr nah, sehr einfach - aber einfach gut. Zeitgleich habe ich mich quer durch, kurz und flüchtig, festgelesen. Bestimmte Sätze angesaugt.
>Eine gute Aprikose ist leicht getupft: Sommersprossen in Rot, Rost und Schokolade überziehen ihre Schultern.<
>Wenn Sie mit dem Messer durch die weiche Kruste stechen, dringt der violette Saft an die Oberfläche, wie Blut, das aus einer tiefen Schnittwunde quillt, und lässt die Zuckerkruste mit dunklen Flecken zurück.<
Das muss man mögen, aber wer hier (schon länger) liest, weiß: Ich mag das sehr.
Eigentlich ist alles ganz einfach.
Tender I Obst ist kein klassisches Kochbuch, sondern vielmehr eine Ode an die Lebensmittel, an die Natur, an den Umgang mit ihr, an den eigenen Garten. An die Einfachheit, an das Gute, an das Wesentliche. So wirkt es auf mich - und so wirkt es in mir nach. Nicht alle Früchte erhalten ihren Platz, es ist vielmehr eine bewusste und persönlich heimische Auswahl, die Nigel Slater getroffen hat. Und das ist richtig gut so. Jede Frucht erhält dabei eine Einleitung, eine Geschichte und Gartengedanken. Geschmackskombinationen finden Raum. Es ist ein äußerst liebevoller Umgang mit dem Wachsenden. Anschließend Rezepte. Im Kern süß, aber auch ein paar salzige Varianten schmuggeln sich darunter. Wer es noch salziger mag, für den ist wohl Tender I Gemüse das Richtige.
Nun, die Sprache ist für mich die würzende Komponente in und zwischen den Seiten. Die Texte haben eine Melodie, die unmittelbar in die Zutaten und gleichzeitig in meine Vorstellung der Zusammenstellung kriecht. Tender I Obst ist ein 620 Seiten kräftiger Schinken mit unglaublich vielen feinen Scheiben. Zum Lesen, und in die Hand nehmen. Zum Darinversinken. Zugegeben: Am Herd blättert es sich etwas schwieriger darin. Die Rezepte sind nicht übermäßig raffiniert, aber verdammt gut komponiert. Ausgewogen. Einiges ist sicher bekannt, vieles vielleicht jedoch in den ausgewählten Kombinationen eher unbekannt. Langsam gebackene Feigen mit Orangen und >Vin Santo<, flaumige Feigen-Brombeer-Pies, Brombeer-Focaccia. Geeiste Terrine mit Aprikosen, ein Kuchen für den Hochsommer. Die Rezepte sind sehr reduziert auf die Aromen selbst, und das ist es, was mich persönlich fängt - und das Klopfen verursacht. Zusammen mit der Sprache auf beiden Ebenen.
Ein Buch, das bleibt.
Ganz bestimmt länger als der Sommer.
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Im letzten Jahr bereits probierte ich die wirklich sehr gute (und kaltbereitete) Tarte mit Frischkäsekissen und (in meinem Fall) schwarzen Johannisperlen - und traf sie jetzt überraschend auf Seite 570 wieder. Nigel Slater setzt auf die weißen Beeren im Original: >Ich wollte ihre zarte Schönheit und Transparenz feiern.< Feiert ihr mit?
Für einen Acht-Personen-Kreis 500 Gramm Frischkäse und 200 Gramm Naturjoghurt mischen. Durch ein Musselintuch tropfen lassen - am besten über Nacht! Für die süße Teigkruste 300 Gramm Ingwerkekse (ich entschied mich für kernigen Hafer und eine Messerspitze gemahlenen Ingwer) mit dem Nudelholz weichklopfen und zusammen mit 75 Gramm flüssiger Butter zu einem Teig ausformen. Am besten direkt in der 22er- Backform. Nicht vergessen: Ränder hochziehen! 20 Minuten kühlstellen.
Die trockengetropfte Frischkäsemischung mit drei gehäuften Esslöffeln Puderzucker (oder mehr - je nach Zahn) bekannt machen und die geriebene Schale einer kleinen Bio-Limette (Schwarz/Limette - Weiß/Orange) unterrühren. Ein paar krause grüne Haare für den schwarzen Kopf aufbewahren. Das Weiß als Kissen aufstreichen. 450 Gramm Johannisbeeren mit der Kuchengabel entästeln und die Füllung handflächenabkullernd belegen. Mit Puzu bestäuben und mit ein paar Limettenlöckchen. Kurz ruhen lassen und dann: abecken. Statt an.
Den besten Appetit!
Danke an den DuMont Buchverlag, der mir dieses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.
Fotos: Jonathan Lovekin (5/6)
diedeinen und dieseinen woRte .... so liest sich leidenschaft. so liest sich gefühl. und dann so elegant veRpackt. bestimmt ist die papieRqualität ein haptischeR genuss. und eventuell bin ich jetzt ein wenig begeisteRt und schleiche nun ums obstweRk.
AntwortenLöschenliebe gRüße. käthe.
Liebe Nina, ein Gedicht. Gleich in den Warenkorb gelegt. So wunderschön. Wie immer bei Dir. Wollte Dir schon lange schreiben.
AntwortenLöschenschon einige zeit summen sie in mir, die tenderen wünsche, öbstern und gemüsern. jetzt noch lauter. wunderbares dahinperlen der worte.
AntwortenLöschen(herrje, wo soll man denn all das geld herzaubern für die schönen dinge.)
nur himmlisch...du, die Worte fliegen, im Rausch der Zeit...halte ich an...es schmeckt nach Me(e)hr...zu schön...und jetzt mein neues Haben-Wollen...bald bestimmt um den Sommer einzufangen...ein schöner, ein leichter Gedanke...ich drück dich, meine liebe N...auf bald...deine i...
AntwortenLöschenoh, ich mag es auch haben. das sieht so gut aus! danke für´s vorstellen, liebe nina!
AntwortenLöschenich bin mindestens ebenso verliebt
AntwortenLöscheneine bibel für garten- und küchengläubige
und wie er schreibt
...
so dunkel und wertvoll
und: die mengenangaben nach der zutat
ein traum für spontankochen
wenn sie nicht so schwer wären nähme ich sie überall mit hin
ich stand in england mehrfach in buchläden vor seinen ganzen werken. tender ließ auch kurz meinen atem stocken. es steht auf der liste. I und II. ein werk für immer, für die zutatenfarbenundaromenliebe. die teilen wir, das mag ich sehr!
AntwortenLöschengleich auf die L I S T E geschrieben
AntwortenLöschensehen die toll aus.
die bebilderung! h e r r l i c h
eine wunderbare empfehlung, danke :)
hmmm, klingt nach lang gesuchter Liebe in Buchform ...
AntwortenLöschendie verzückung hat sich übertragen, bei beidem:) lg, nikki
AntwortenLöschenmacht sehr viel Lust auf sehr viel mehr! Herzlichst, Sabine
AntwortenLöschenküchenwellengleichklang - wie schön, wie schön!
AntwortenLöschenNicht lang herumreden: Hmmmmmmmm! :)
AntwortenLöschennoch eins auf der endlos langen Liste. Wieso tauscht niemand meine alten Bücher gegen neue ein?
AntwortenLöschenDanke für´s Berichten. Liebe Grüße Martina.
... ich hab nun eine Liebe mehr im Hause. Danke, danke für deine wunderbaren Inspirationen, deine fliessend anmutigende Texte und deine tollen Wortkompositionen... ich mag dich sehr gerne lesen!
AntwortenLöschenhttp://www.knusperzwergundfeenstaub.ch/2013/07/ich-bin-verliebt.html
Schön, dass dich und deinen Blog gibt!
Sei lieb gegrüsst
Melanie
wie schön, melanie! herr slater ist wirklich ein geschenk - bleibe noch lange verliebt :)
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